Eine Auswahl Kapuziner Sagen

Das Gespenst auf der Älggi

Vor vielen Jahren war ein Bursche von 16 Jahren auf der Alp Älggi am Sachslerberg, wo er mit einigen Andern in der gleichen Hütte wohnte. Eines Tages nun gingen seine Hüttengespanen in’s Tal hinunter, um Proviant zu holen. Er blieb allein in der Hütte zurück, ohne dass es ihm etwa vor Geistern und Gespenstern gefürchtet hätte, obgleich er wusste, dass in derselben Alp ein böser Unhold sein Wesen trieb. Wie er nun des Nachts auf seinem Lager schlief, erwachte er plötzlich; ein fürchterlicher Lärm ob seinem Kopfe hatte ihn geweckt. Die Decke war so niedrig, dass man bequem von den Dastern aus hinauflangen konnte. Dort befand sich eine Lücke — und er nicht faul, streckte zwei Finger hinauf und rief in seinem Übermute dem Gespenste: „Went hägglä wit, so hänk y!»

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als er auf einmal einen fürchterlichen Schmerz in seinen Fingern verspürte. Daraufhin ist er zu allen Döktern im ganzen Lande gelaufen, aber keiner konnte ihm helfen. Endlich segnete ihm ein Kapuziner die Finger und danach konnte er sie wieder bewegen, aber ganz strecken konnte er sie nie mehr.

(Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden)

Der Sommer im Truckli

Der Sommer wollte und wollte nicht kommen. Das Gras stand hoch und sollte längst gemäht werden. Doch noch strichen die Nebel den Hängen entlang und jeden Tag tropfte es aus den Stauden.

Ein Lungerer mochte nicht mehr länger auf besseres Wetter warten. Eines Tages ging er nach Sarnen ins Kapuzinerkloster. Er rechnete den Kapuzinern vor, welchen Schaden er erleide, wenn der Sommer nicht bald komme. Die Kapuziner hörten ihm zu und überreichten ihm schliesslich ein Truckli. Da drin sei der Sommer! Er solle das Truckli aber erst zu Hause öffnen.

Auf dem Heimweg plagte ihn die Neugier. Was der Sommer im Truckli wohl mache und ob er wohl genügend Platz habe, um sich zu drehen. Er hielt das Truckli ans Ohr und richtig, da drin krabbelte der Sommer. Nur ein bisschen wollte er das Truckli öffnen, nur ein Spältchen, damit der Sommer nicht ersticke in dem engen Truckli. Da öffnete er das Truckli nur ein Bitzeli, ein kleines Bitzeli. Aber was geschah? Der Sommer krabbelte hinaus und flog davon. Der Lungerer sah ihm nach und rief: «He, Summer, fliig i iises Land, z Lungerä sii mer derheimä.»

Es war nur eine Hummel, die er im Truckli erhielt.

(Sooder und Dauwalder, Zelleni usem Haslital)

Ein böses Chindbettimahl

Wohnte da im Dorf vor vielen, vielen Jahren ein Hintersäss, namens Aeppli, mit seiner Tochter und deren Mann, einem Brienzburger, zusammen unter dem gleichen Dach.

Dem jungen Ehepaar war eben das erste Kind, ein Bub, angerückt. Am Tage der Taufe wurde wacker Chindbettimahl gehalten. Man sang und tanzte, dass die Fenster kläfelten und die ausgeschlarpten Söllerläden gigarsten, und zwischenhinein sprach man fleissig dem roten Italienerwein zu, der bei der hohen Festlichkeit nicht hatte fehlen dürfen.

Da, mitten in der grössten Fröhlichkeit, schob der alte Aeppli sein Glas Roten unsicher über den Tisch hin von sich, stand schwer auf und rief in die Stubete hinein: «Es wäre jetzt alles recht, wenn das Kind nicht meins wäre!»

Aber wohl, da hatte das Dreckmanndli in eine Wespere geguselt. Einen Augenblick stand die Gesellschaft da wie geohrfeigt, dann rückte der junge Ehemann auf seinen Schwiegervater los, nahm ihn beim Kragen – es gab eine laute Rumorete, und das Chindbettimahl nahm ein jähes, böses Ende.

Der Alte musste sich vor Gericht verantworten. Da er nach langem Leugnen endlich gestand, damals die Wahrheit gesagt zu haben (seine eigene Tochter geschwängert zu haben), wurde er zum Tode am Galgen verurteilt, einige Tage später gehängt und sein Leichnam nach damaligem Brauch weitab vom Friedhof auf der Dorfallmend im «Dorni» verscharrt.

Der Tote konnte aber nicht in die Ruhe kommen. Vorübergehende Leute trafen kurze Zeit danach das Loch offen. Sie warfen es wieder zu. Doch am anderen Morgen war die Grube aufs neue abgedeckt, so alle Tage wieder, obschon man sie schliesslich mit schweren Steinen beladen hatte.

Eines Tages kam dann vom Brünig her ein Kapuziner ins Dorf. Diesem erzählten die Brienzer von den Nöten, die ihnen der alte Aeppli nach seinem Tode noch antat. Auf seinen Rat hin brachten sie den armen Sünder wieder ins Dorf, begruben ihn auf seinem Eigentum im Garten vor seinem Hause in der Alpgasse und pflanzten einen unfruchtbaren Baum, einen Buchsbaum, auf das Grab. Und von da an ist der Alte an die Ruhe gekommen.

(Brienzer Sagen)

Kapuziner sind stärker

Eine jungverheiratete Frau war bald nach der Hochzeit schwermütig geworden. Der Aeschifrau gelang es, die Lebensgeister der Unglücklichen wieder aufzumuntern, doch nicht für lange. Ein zweites Mal um Rat angegangen, erklärte die Aeschifrau, es sei ein altes Fraueli im Spiel, sie komme aber gegen dieses nicht auf. Man solle zu einem Kapuziner gehen, der möge dem Fraueli schon Meister werden.

(Brienzer Sagen)

Milch verbrennen oder vergraben

Durch das Wundermittel eines Kapuziners war es den Angehörigen eines verkrüppelten Mädchens aus dem Oberdorf gelungen, diesem die Gesundheit und einen geraden Körper wiederzugeben. Am Tage nach der wunderbaren Genesung brachte die Nachbarsfrau wie alle Tage die Milch ins Haus. Der Ätti nahm die Milch vor der Haustüre entgegen ohne Dankheigist und ohne sonst irgend ein Gleich zu tun. Er wusste wohl, warum! Die Frau hatte den Ruf einer Hexe, und grad sie hatte seinem Mädchen die Krankheit angetan! Aber jetzt musste sie büssen dafür, tropfenweise wollte er die Milch auf dem Herdfeuer verbrennen, dann musste das Wust am eigenen Leibe die Wehtat verspüren. Alsdann war das der Mutter nicht recht. «Wir wollen nicht Rache üben,» sagte sie, «das wäre unchristlich!» Da vergrub der Ätti die Milch in der Erde und behielt sein gutes Gewissen.

Die Milchfrau aber, die das Mädchen verhext hatte, musste ihren Zauber zurücknehmen, weil des Kapuziners Wundermittel stärker gewesen war als sie. Krank an Leib und Seele versagten ihre Füsse bald einmal den Dienst, und sie musste als Krüppel an den Krücken gehen ihr ferneres Leben lang.

(Brienzer Sagen)

Der alte Sauser

Lange Jahre ging der alte Sauser auf den Alpen des Seitentales um. Wo er hinkam, trieb er sein Unwesen und richtete Schaden an. Hand in Hand mit ihm stieg der Viehtod auf die Höhen. Jeden Sommer, wenn die mächtige Herde der grössten Alp im Tal von Flöschwald, Alpiglen und den Sausmatten hinauf in den Oberberg zügelte, bekamen die schönsten Stücke den Viertel (Rauschbrand) und wurden abgängig.

Nach gründlichem Rat aller sieben Alpzeuge kam man überein, durch einen Kapuziner Abhilfe schaffen zu lassen und dem alten Sauser ein für allemal sein Hexenhandwerk zu legen.

In der dritten Nachmittagstunde des dritten Tages Heumonat begann jener in der Steinhütte in Alpiglen sein Werk. Er sägte sich hundertundein fingerlange arvige Rundholztütscheni zurecht und bohrte ein Loch darein. In jedes steckte er ein Papier, versehen mit seltsamen Zeichen, vor allem mit dem des grossen Zauberschlüssels Höllenzwang, der alle Geister zwingt, jeder Forderung Folge zu leisten. Diese Arventütscheni legte er in alle Schwellen und Obertürler sämtlicher Hütten im ganzen Saustal ein, auch in Mäuerlein auf einigen Anhöhen, und viele vergrub er.

Als er in der Steinhütte noch an der Arbeit war, soll ein Zwölfjähriger auf der Schwelle gestanden sein und ihm zugeschaut haben. Da sagte er zu dem: «Bub, tritt mir von der Schwelle, es will einer herein, den du nicht sehen kannst!» Item, noch am gleichen Tag hat er mit dem alten Sauser an der Grenzmarch, auf der Kienegg hinten, geschwungen, aber er brachte ihn noch nicht aus der Alp hinaus. Er verbannte ihn dann in die Spryssenbalm unten an der Marchegg. Hernach empfahl er der Alpschaft noch, in den Vorsassen das Treichiwasser besser und in neue Tüüchel zu legen und den Berg nie an einem andern Tage, als an einem Dienstag oder Freitag zu besetzen.

Wie er seinen Auftrag vollendet, sagte er wahr, dass nur noch ein einziges Haupt abgängig werde, eine Zytkuh (trächtiges Rind) aus dem Besatz einer Witwe in Bönigen. Eine, fügte er bei, die müssen sie ihm geben als Lohn.

Wie der Kapuziner sagte, so traf es ein. Seither hat es keine Tiere in all den vielen Jahren auf der grossen Alp mehr geviertelt. Noch heutigen Tages, wenn in Saus ein Gehalt abgebrochen werden muss, nehmen die Zimmerleute mit Sorgfalt die Arventütscheni aus Schwelle und Obertürler und versetzen sie in die neuen.

Die Spryssenbalm aber, wo der alte Sauser noch hausen soll, die sah seither stets aus wie frisch gewischt. Weder Geiss noch Schafli will sich hier, auch nicht bei ärgstem Sudelwetter, an den Scherm stellen.

(Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen)

Das grüne Fröschlein

Ein Bürgler zog alle Jahre einmal mit Walenvieh »in das Wälsche hinüber« an die italienischen Herbstmärkte. Einst sagte ein Wirt, bei dem er gewöhnlich einkehrte, zu ihm: »Ihr Urner habt, wie ich gehört, einen Geldscheisser; bringt mir auch mal einen, ich könnte ihn brauchen.« Der Urner versprach ihm einen. Im nächsten Jahre aber vergass er es, und erst auf halbem Wege kam ihm sein Versprechen in den Sinn. Und siehe! Kaum gedacht, hüpfte so ein kleines, grünes Fröschlein daher, das man im Aberglauben »Allarünä, Allrünäli« nennt. Wenn man einem solchen Geld unterlegt, so scheisst es immer das Doppelte dazu. Aber man muss ihm die Ordnung und Reinlichkeit halten wie einem Kind. Wer aber stirbt, während er eine Allarünä besitzt, ist des Teufels, und wenn sie in die dritte Hand kommt, so wird sie der Besitzer nicht mehr los und ist unrettbar dem Höllenfürst verfallen. Der Urner packt das Tierchen, verwahrt es in seinem Schnupftabakdruckli und kramt es dem Wirt, der es mit Freuden in Empfang nimmt. Im folgenden Jahre kam dieser jubelnd dem Urner entgegen und sagte, er sei jetzt ein reicher Mann. Da erschrak der Viehhändler und bekannte später alles seinem Beichtvater. Dieser erklärte ihm, er müsse den Wirt auf die Gefahr aufmerksam machen, in der sein Seelenheil schwebe. Das machte er, und der Gewarnte sann darauf, das Fröschchen loszuwerden. Auch er ging zu einem Kapuziner, der ihm nach langem Besinnen sagte, er solle es ihm bringen, was der Wirt freudig tat. Der Pater hängte es in einem Tüchlein an der Oberdiele seiner Zelle auf. In der folgenden Nacht entstand ein furchtbarer Lärm vor dem Kloster; eine Bande unbekannter Kerle tobte und schrie: »Gebt den Gefangenen heraus! gebt unsern Hauptmann heraus!« Der Guardian wusste von allem nichts. Er fragte die Patres, ob einer von ihnen etwas wisse. Aber keiner konnte eine Auskunft geben. Es war ein grosser Schrecken im Kloster. Da kam es dem Obern in den Sinn, dass er einen Pater, den einfältigsten von allen, noch nicht berufen und gefragt habe. Am Ende hat der noch in seiner »Dümmi« etwas Dummes angestellt! Sofort liess er ihn kommen und examinierte ihn und schickte ihn, nachdem er bekannt hatte, an die Pforte, um mit der Bande zu verhandeln. Der einfältige Mönch verlangte von ihnen neun Säcke voll Gold. Im Nu waren diese da, noch tropfend von Meerwasser! Und jetzt wurde der Gefangene herausgegeben.

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri